Ist es bei ADHS so, daß man erwarteten Konflikten ausweicht, schweigt und eine Aussprache so lange hinauszögert, bis es aufgrund des Verzögerns richtig knallt?
Ein Freund von mir hat ADHS und es fällt mir seit Jahren folgendes auf:
Er ist oft planlos, zerstreut, vergesslich, versetzt sich durch alle möglichen Aktivitäten in extremen Stress und vergisst Verabredungen.
Oder aber er plant gemeinsame Aktivitäten, stellt kurz vorher fest, daß sich das mit nem wichtigen Termin überschneidet und traut sich nicht, mir das zu sagen, aus Angst, zu enttäuschen und daß ich dann schlecht über ihn denke oder verständnisloses Feedback gebe, da dies häufig vorkommt und meist ich die Leidtragende bin, die versetzt wird.
Er sagt häufig, dass er extreme Minderwertigkeitskomplexe und ein kaum existierenes Selbstwertgefühl hat.
Er ist ein extremer Overthinker und zermartert sich in solchen Situationen den Kopf, spielt eine mögliche Ablehnung durch, hat Kopfschmerzen, kann nicht schlafen und stellt sich tot, statt rechtzeitig abzusagen.
Teils frage ich immer wieder nach, teils 5x, um die Verabredung mit ihm zu konkretisieren.
Er antwortet dann entweder nur flüchtig und schiebt Stress vor, ohne auf die Frage nach dem Wann und Wo des Treffens einzugehen.
Oder er antwortete gar nicht und liest meine Nachrichten nur in der Vorschau, so dass sie keine blauen Haken haben und ich glauben soll, er habe sie noch nicht gelesen.
Erst kurz vor Toresschluss kommt er dann mit seiner Absage hinterm Ofen hervor und schreibt mir 1000 Gründe, warum es leider nicht geht.
Plötzliche Krankheiten in der Familie, Unklarheiten im Job, Hausbau und Materialanlieferung, Leute, die ihm Geld Schulden und weitete Gründe, die allesamt sicher nicht erst am Tag der Absage entstanden sind.
Doch statt, wie erbeten, rechtzeitig abzusagen, so dass ich das Wochenende noch anders verplanen kann, sitzt er sowas bis kurz vor Schluß aus.
Mit Kumpels macht er es seit ich ihn kenne ähnlich.
Er sagt auf Partys zu, obwohl er bei der Zusage schon weiß, daß er da voraussichtlich nicht kann. Er sagt, um Konflikten und Diskussionen aus dem Weg zu gehen, die er bei einer Absage seinerseits erwartet und der er durch die verheimliche Zusage entgehen will.
Er hat Angst, dass über ihn geredet wird.
Das eigentliche Problem ist aber sein so Tun, als sei alles okay und das Aufschieben und aus dem Weg gehen, bis kurz vor der Veranstaltung.
Er sagt, Kritik würde ihn kaputt und fertig machen. Mittlerweile macht ihn aber auch Verständnis kaputt, wenn man ihm sagt, dass das alles durch sein ADHS ausgelöst wird.
Er wurde als Kind und Jugendlicher oft von Verwandten wegen schlechter schulischer Leistungen runter gemacht und es wurde ihn eingeredet, es gehe nur um Leistungsfähigkeit und Besitz im Leben.
Mir sagte er letzens sinngemäß:
“Hey Du, es ist nix zwischen uns … nur das ich wieder echt viele Dinge aufeinmal organisieren muss etc…. Es passt gerade alles nicht auch leider das Wochenende nicht …😕😕 ich hab auch bisschen Stress mit xy .. die keine Kohle gerade zahlen und ich da jetzt rechtlich was machen muss.. dann hatte das sich jetzt mit der Alzheimer de Schwiegervaters bestätigt … und zusätzlich hab ich noch Stress mit Anlieferung für mein Haus.. da die nur an gewissen Zeiten können.. zusätzlich mach ich mir immer noch Kopf , ob meiner neuer Job zu mir passt, die Probezeit endet bald.. es ist nix vorgefallen…
aber du weißt ja das ich ein Denker bin. Wollte dir abends immer zurück schreiben aber bin in letzter Zeit einfach kaputt.. möchte halt keine Konfrontation mit dir, daher scheue ich mich etwas dir zu schreiben weil es dann immer mal wieder ausarten kann”
Danach stellte er sich wieder für fast eine Woche tot und las meine Antwort darauf nur in der Vorschau.
Wenn ich ihn sehe, sagt er nach solchen Schweigephasen oft, er wisse nicht mehr, warum er mir nicht geantwortet hat.
Ihn belaste es aber auch, wenn ich ihm sage, woher die Probleme kommen (Kindheit, ADHS, Fremdbetreuung, Eltern hatten die gesamte Kindheit /Jugend nie Zeit und haben alles mateiell geregelt.
Er sagt dann, immer gehe es nur um seine Probleme. Das mache ihn kaputt.
Andererseits listet er mir seine Probleme sehr oft auch auf und nennt sie als Grund für “keine Zeit”.
Streit tue ihm verdammt weh und er sagt, die Freundschaft ist ihm sehr wichtig.
Aber er provoziert unbewusst auch solche Situationen, indem er einen mit Telefonaten Sitzen lässt, unvermittelt von jetzt auf gleich ohne erkennbaren Anlass schweigt, Nachrichten nicht mehr liest, oder liest und nicht antwortet… und einem auf den allerletzten Drücker absagt.
Für profane Dinge hat er dann aber doch Zeit, da ihn das entspannt. Gleichzeitig bringt er aber selbst Spannung und Konflikte in Freundschaften hinein und stellt es dann so dar “ich habe mich nicht gemeldet, aus Angst, vor Deiner Reaktion.”
Dabei halte ich viel in Bezug auf ihn aus, habe Geduld und versuche, zu verstehen.
Aber immer will man auch nicht hängen gelassen werden und so sage ich auch schon mal was.
Habt Ihr selbst ADHS und kennt Ihr jemanden, der auch so reagiert und denkt oder ist das Verhalten eher ungewöhnlich?
Wie geht man damit um, damit es harmonischer wird?
Schwierigkeiten bei der Organisation sind typisch für AD(H)S. Das kann man trainieren und Maßnahmen nutzen, um vergessen zu verhindern. Dennoch kommt man oft zu spät oder verpeilt was, doch mit Übung und offener Kommunikation ist es gut händelbar.
Seine Folgeprobleme, also die Angst vor Konflikten und das geringe Selbstwertgefühl, gehören NICHT zu AD(H)S, sind aber häufige Folgeprobleme. Ausgelöst durch ein Umfeld, welches einen oft kritisiert, statt unterstützt, und durch ständige Misserfolge wegen der Probleme.
Was er ändern muss, ist, dass er Eigenverantwortung übernimmt, mehr Mühe für die Organisation aufwendet und sich in Therapie begibt, wegen seiner Ängste.
Therapie lehnt er ab, das Thema Verantwortung habe ich tatsächlich aktuell auch angesprochen.
Wer sich weigert an seinen Problemen zu arbeiten, hat auch keinerlei Recht sich auf sie zu berufen.
Danke
Okay.
Darf ich dir eine PN schicken, um einzuschätzen, ob der Fall schon eingetreten ist?
Klar. Aber dennoch wird es toleriert, er kommt damit durch. Manche Menschen müssen erst ganz tief fallen, bis sie bereit sind was zu ändern. Bei mir war das auch so.
Isr aber nicht so. Er erhält Druck
Erfahrung und Logik.
Woher willst du das wissen?
Aktuell braucht er es auch nicht, weil sein Umfeld es akzeptiert, dass er nichts hinkriegt.
Hilfe annehmen
Was kann er nicht?
Er kann es aber doch nicht
Nein. Aber ich würde sagen, dass es Anlaufstellen gibt, an die er sich wenden kann, um Hilfe mit den Problemen zu bekommen. Und das er bitte einen Kalender verwenden soll. Wenn er seine Probleme immer als Ausrede verwendet, statt daran zu arbeiten, würde ich irgendwann den Kontakt beenden.
Wie würdest du dann damit umgehen? Tacheles reden und sagen “selber Schuld, wenn Du nichts änderst”?
Soweit normal 🙂
Das liese sich besser lösen, daran sollte er arbeiten.
Das deckt sich mit dem vorherigem Absatz. Wenn er damit alleine nicht klarkommt, sollte er darüber mit seinem Arzt reden.
An und für sich ist das aber nichts, was mit dem ADHS zusammenhängen muss.
Das kann sich durchaus negativ auf ihn ausgewirkt haben und wird wohl Ursache für die Selbstwertprobleme sein.
Vermutlich entweder Überforderung (zu viel Input, zu viel zu tun…oder zumindest erscheint ihm das so) oder weil er sich nicht traut.
Ich denke es ist weniger das Problem, dass deine Probleme Erwähnung finden, als dass er sie nicht zu lösen weiß. Ohne Lösung hält er Ignoranz für am Besten und dann über die Probleme zu reden erschwert die Ignoranz.
Sicher “profan” und nicht etwa “einfach”?
Naja, so teils, teils vielleicht?
Ich denke er braucht eine Therapie.
Diese lehnt er ab
Das hilft also hier leider nicht.
Nun, mehr als Hilfe anzubieten kannst du kaum tun. Wenn er nicht will, ist das erst einmal sein Problem.
Ich würde ihm aber klar machen, dass er an seinen Problemen arbeiten muss, denn sonst stößt er vielerorts auf Ablehnung.
Nun, ich würde gelegentlich versuchen ihm Hilfe anzubieten. Aufzwingen geht nicht, außer er wäre selbstgefährdet oder würde andere gefährden.
Man kann der Person ja keine Hilfe auferzwingen, insofern bleibt eigentlich nur, es so hinzunehmen.
Genau daran zerbrechen gerade langjährige Freundschaften und er hat zunehmend depressive Stimmungen. Lässt man das als Freund so und nimmt es hin?
Nun, wenn er nicht hören möchte kannst du wenig machen. Dann muss er damit leben, dass er aneckt.
Mache ich ja, dann sagt er, “immer redest du von meinen Problemen, das macht mich fertig”. Steht ja auch so in der Frage.