Ist die Geschichtslehre und Archäologie überhaupt ernst zu nehmen?

Ich hatte mich mal gefragt, wer überhaupt entscheidet, wie ein Ereignis interpretiert wird / werden darf / werden soll. Dann erinnerte ich mich auf die Aussage “Die Sieger schreiben die Geschichte”.

Unter der Aussage “Die Sieger schreiben die Geschichte” verstehe ich, dass die Sieger die Macht (also das Geld, die Kontakte an den richtigen Posten der jeweiligen Stellen in einem Staat, die Ressourcen und somit die Kontrolle) dazu haben, wie die Geschichtsschreibung und Geschichtslehre zu sein ist. Die Sieger entscheiden was als Fakt anerkennt wird, kontrollieren und manipulieren dadurch die Interpretationen und somit auch die Weltanschauung der Menschen.

Daswegen halte ich die Geschichtslehre und Archäologie für kritisch. Es ist alles eine Sache der Interpretationen.

Wie sieht ihr das?

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Chris428
1 year ago

Du solltest Dich ernsthaft mal mit Archäologie beschäftigten. Ich wollte das mal studieren, aber es kam anders. Aber bis heute wäre Archäologie und/oder Geschichte ein Wunschstudium – naja, vielleicht mal in der Rente.

Das Zitat “Sieger schreiben Geschichte” bezieht sich auf Kriege. Der Unterlegene in einem Krieg hat meist keine Möglichkeit seine Sicht der Dinge aufzuschreiben.

Archäologie ist völlig anders. Bereits im Mittelalter fing man an sich für Vergangenes zu interessieren und hat es aufgezeichnet. Auch Bewuchsmerkmale in Felder interpretierte man richtig als Fundamente ehemaliger Bauten. Nur Ausgegraben hat sie keiner.

Im 18. Jahrhundert ging es dann so richtig los. Manchmal schaute die Spitze eines Bauwerks aus dem Boden und man grub es aus. Man entdeckte, dass in unterschiedliche Tiefen unterschiedliche Gegenstände liegen – so kann man in einem Siedlungsgebiet das Alter abgrenzen – nicht scharf, aber so ungefähr. Man erfährt anhand von Lebensmittelresten, was die Leute gegessen haben, anhand von Scherben, wie die Lagerung war oder ihr Geschirr usw.

Dieses Ausbuddeln gab den den Anreiz in Ägypten zu graben, zu gucken, ob die Geschichten des alten Griechenlands stimmen und man fand Troja tatsächlich, sogar sieben Städte übereinander.

Heute helfen verschiedene Methoden das Alter zu bestimmen. Die Radiokarbonmethode misst den Zerfall von Atomen. Die Massenspektronomie hilft uns herauszufinden, wie die Menschen sich früher ernährt haben.

Dabei schreibt nicht der “Sieger” die Geschichte – so funktioniert Wissenschaft nicht! Sondern jemand veröffentlich eine These international und viele andere Wissenschaftlicher machen sich dran sie zu überprüfen. Dann wird sie entweder bestätigt oder verworfen. Wissenschaft ist immer Wiegen, Messen, Zählen – nicht raten. Bei der Archäologie hat sich in den letzten drei Jahrhunderten eine Unmenge an Wissen angesammelt, die Vergleiche zulässt. So kann man Bodenschichten, die hier so und so sind vielleicht auch woanders so und so interpretieren. Hilfe ist uns immer die Aufzeichnung von Geschichtsschreibern, die z.B. erwähnten, wann das erste Mal aus Glasbechern getrunken wurde. Wenn man also Glasbecherscherben findet, weiß man, dass muss dann also danach gewesen sein.

Manipulieren kann man heutzutage kaum mehr, auch wenn es immer wieder versucht wird. Die angeblichen Hitler-Tagebücher in den 1980ern waren so ein Fall. Doch dank moderner Technik kann man ermitteln, dass das Papier nach 1950 hergestellt sein muss.

Nofear20
1 year ago

Daswegen halte ich die Geschichtslehre und Archäologie für kritisch. Es ist alles eine Sache der Interpretationen.

Wie sieht ihr das?

Pauschalaussagen helfen hier nicht weiter. Es gibt gesicherte Fakten und es gibt manchmal auch Unsicherheiten aufgrund dürftiger oder fehlender Quellen. Und je weiter man in der Geschichte zurückgeht, desto unsicherer werden die Quellen, meistens zumindest. Am ergiebigsten sind natürlich Hochkulturen, die uns dauerhafte Bauwerke und schriftliche Zeugnisse hinterlassen haben.

Schemset
1 year ago

“die Sieger schreiben die Geschichte”? – Ja, und genau deswegen nehme ich Geschichtswissenschaft und Archäologie sehr ernst.

Wenn wir nicht einfach blind glauben wollen, was irgendein alter (oder neuer) Text uns erzählt, dann brauchen wir Methoden um diese Quelle kritisch zu analysieren. Wir müssen Überlieferungsgeschichte erforschen, die Quelle in den Kontext setzen und bewerten. Und nichts anderes lehrt die Geschichtswissenschaft.

In der Schule habe ich brav die Jahreszahlen und “Fakten” aus dem Geschichtsbuch gelernt und fand es sehr interessant.

Im Studium der Geschichtswissenschaft habe ich gelernt, alles in Frage zu stellen. Jede Jahreszahl hängt an einer komplizierten Rekonstruktion der Chronologie, jede Anekdote über irgendeine Herrscherin geht auf einen mehr oder weniger verlässlichen Quellentext zurück, jeder Schlachtenbericht ist politische Propaganda.

Fazit: je mehr man der Geschichtsschreibung misstraut, desto mehr sollte man über Geschichtswissenschaft lernen… denn dann kann man sich ein eigenes Bild von der Quellenlage machen.

ntechde
1 year ago

Zunächst mal gibt es Fakten – die diskutiert keiner. Wohl aber wird in Historikerkreisen über Wertung und Einordnung diskutiert. Neue Fakten können diese Diskussion verändern. Aber der historische Diskurs ist auch dem zeitgeist unterworfen, mit größerem Abstand werden Fakten neu bewertet.

5Leonarda
1 year ago

😂 Es ist schon amüsant, wie oft etwas als unumstößlicher Fakt hingestellt, und dann, ups, war doch alles ganz anders.

Mir fällt spontan eine ARTE-Doku zu ein:

ARTE-Doku: War die Steinzeit viel weiter entwickelt?

»Die Erforschung der oft außergewöhnlichen Grabstätten des Paläolithikums revolutioniert unser Bild vom Steinzeitmenschen. Die Stätten, von denen die meisten vor rund 25.000 Jahren entstanden, weisen üppige Verzierungen auf. Zu welchem Zweck? War die paläolithische Kultur viel differenzierter als lange gedacht? Auch was die gesellschaftliche Stellung von Frauen und Männern betrifft?«

Es ist wirklich schade, dass die nicht mehr vorhanden ist.

Darum behalte ich mir vor, selbst zu denken und zu überlegen, wie es sonst gewesen sein könnte.

Eisenschlumpf
8 months ago

 Die Sieger schreiben die Geschichte

Dieses Sprichwort ist nicht zutreffend. Geschichte geschieht täglich. Geschrieben werden Geschichtsbücher, von wem auch immer eines schreiben will. Das ist jedenfalls in der aktuellen Zeit so. Für die Antike und das Mittelalter vielleicht nicht, aber dafür haben wir die Historiker.

Hayns
1 year ago

Frage von Interrogantis

Ist die Geschichtslehre und Archäologie überhaupt ernst zu nehmen?

Ich hatte mich mal gefragt, wer überhaupt entscheidet, wie ein Ereignis interpretiert wird / werden darf / werden soll. …

[…]

Daswegen halte ich die Geschichtslehre und Archäologie für kritisch. Es ist alles eine Sache der Interpretationen.

Natürlich ist die Geschichtslehre und Archäologie ernst zunehmen. Natürlich darf / muss man sie auch kritisch betrachten. Das darf aber nicht dazu führen, dass man sie grundsätzlich anzweifelt oder gar ablehnt.

Zweifel müssen begründet werden.

Erforschtes wird i.d.R. nicht von einer Person entschieden, sondern von vielen Teams. Es wird auch nicht einfach entschieden, sondern aus vielen Erkenntnissen ein Wissensstand erarbeitet.

Zitat Interrogantis Fragesteller

Die “Fakten”, also die Funde kann man nicht immer 100 % neutral betrachten. Auch die Funde kann man interpretieren, wenn es die Möglichkeit gibt Interpretationen zu stellen.

Die Funde werden nicht irgendwie interpretiert wie man möchte, sondern mit bereits gefundenem verglichen – ggf. kommt man zu einem Ergebnis.

Bis Forschungsergebnissen publiziert werden, ist es ein langer Prozess. Vorab werden sogenannte Grabungsberichte erstellt, die in der Wissenschaft / Archäologie kontrovers diskutiert werden.

Der bisherige Wissensstand ist nicht fest betoniert.

Neue Funde bringen neue Erkenntnisse, der bisherige Wissensstand muss revidiert und ggf. korrigiert werden.

Wissenschaft schafft Wissen.

BeviBaby
1 year ago

Wie sieht ihr das?

Als kritisch.

Es gibt objektive Fakten, die sich durch Archäologie entdecken und nicht wegrationalisieren lassen, egal wie sehr der ‘Sieger’ die Geschichtsschreibung auch bestimmen mag.

Wenn sich in Gebiet X eindeutige Anzeichen von Pfahlbauten finden, dann kann Geschichtsschreiber Y 20 Mal schreiben, dass das Gebiet seit jeher vollkommen unbesiedelt war.

Dazu gibt es natürlich, insbesondere wenn zwei Hochkulturen aufeinandertreffen, auch immer die Möglichkeit, dass BEIDE Seiten ihre Version der Ereignisse haben und dementsprechend eventuell ein Abgleich verschiedener Quellen vorgenommen werden kann, die letztlich zu einem anderen Ergebnis führen könnten als das was überliefert ist.

Und ganz davon abgesehen gibt es Archäologie ja nicht nur um zu schauen ‘wer hat welches große Ereignis gewonnen’, sondern in vielen Fällen macht man sich einfach ein Bild davon wie das Leben vor xyz Jahren war, welche Möglichkeiten die Menschen hatten usw. usw. usw.

Insofern… manche Fakten lassen sich eben schlecht umgehen. Und insbesondere die Archäologie hilft beim Auffinden dieser Fakten.

xXErdbeerchenXx
1 year ago

Das sind zwei verschiedene paar Sachen. 😅 Archäologie wird nicht von Siegern digtiert, sondern von Fakten. Wenn da neue Erkenntnisse auftauchen, passt man das entsprechend an. 😊🌻

Fuchssprung
1 year ago
Reply to  Interrogantis

Das ist der Kern der Wissenschaft. Eine Erkenntnis gilt nur so lange als gesichert, bis eine neue Erkenntnis das alte Wissen über den Haufen wirft. Wissenschaft ist nicht dogmatisch, wie zum Beispiel die Religion.

Fuchssprung
1 year ago

Genau so sehe ich das auch.

xXErdbeerchenXx
1 year ago

Das ist das schön an Wissenschaft. 😊🌻

DerRoll
1 year ago

Dann erinnerte ich mich auf die Aussage “Die Sieger schreiben die Geschichte”.

Der Satz ist bekannt, bequem und wie nicht anders zu erwarten falsch.

https://www.welt.de/geschichte/article181399614/Erinnerungspolitik-Die-Sieger-bestimmen-die-Geschichte-Von-wegen.html

https://inforo1300.wordpress.com/2021/02/01/schreibt-der-sieger-die-geschichte/

usw.usf.

DerHans
1 year ago

Wenn du schon “Sprüche” klopfst, solltest du auch den kennen:

“Wer aus der Geschichte nichts lernt, ist dazu verurteilt, immer wieder die gleichen Fehler zu machen”