Asperger?

Hallo,

Ich bin 29 und habe im Laufe meines Lebens alle möglichen Diagnosen (agoraphobie etc.) erhalten. Kürzlich wurden diese alle gestrichen und mir wurde stattdessen hochfunktionaler Autismus und das Impostersyndrom diagnostiziert.

Das ist die erste Diagnose die wirklich zu passen scheint und alle meine Schwierigkeiten erklärt. Ich bin eigentlich am liebsten allein und dabei sehr glücklich und habe allgemein wenig Interesse an Menschen.

Schwierig wird es wenn ich mit anderen zu tun haben muss, z.b in der Arbeit. Unterhaltungen fallen mir schwer und ich kann meine Gesprächspartner nicht direkt ansehen. Das alles macht mich sehr nervös und mir ist meistens alles zu hell und zu laut. In Geschäften wird mir richtig schwindling und übel.

Kann mir jemand sagen was ich nun bezüglich dieser Diagnose tun sollte? Ist da eine Therapie angeraten oder sollte ich es einfach bei der Diagnose belassen?

Vielen Dank im Voraus.

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ManFromEarth
1 year ago

….. soziale Interaktionen sind wohl eine Schwierigkeit, besonders weil die Wahrnehmung des Gegenüber nicht gut möglich ist.
Versuchen Sie viel über Menschen zu lernen, üben Sie den Umgang mit ihnen, es gibt etwas Sicherheit und auch Selbstvertrauen.

Suchen Sie sich einen Therapeuten, es ist sehr hilfreich sich mit solchen Menschen auszutauschen. Mit der Diagnose haben Sie eine Möglichkeit bekommen Ihr Leben angenehmer zu gestalten, nutzen Sie das.

mfe

PS: habe einen in etwa gleichaltrigen Sohn mir dieser Diagnose, er bekam die allerdings schon als Kind.

kiniro
1 year ago

Wegen deiner Lichtempfindlichkeit könntest du es mit einer Sonnenbrille versuchen.
Gegen die störenden Geräusche Kopfhörer oder spezielle Ohrstöpsel (Calm oder wie die heißen).
Anderen wiederum helfen einfache Schaumstoffstöpsel.
Also Sachen, die die Lautstärke dämpfen, aber du noch genug hörst.

Erkläre den Menschen auf deiner Arbeit, warum dir der Augenkontakt zu schwerfällt und du das nicht aus Unhöflichkeit so machst.

Ich bin in Sachen Autismus und Therapie, die meistens Verhaltenstherapie bedeutet, sehr skeptisch eingestellt.
Hier soll in der Regel einem neurodivergenten Menschen das Verhalten von neurotypischen Leuten beigebracht werden.
Wenn sich die Therapeutin / der Therapeut nicht sehr gut mit Autismus und dem Risiko des Maskings auskennt, schadet so eine VT letztendlich mehr als sie hilfreich ist.

ZitrusLiebe
1 year ago

Autismus ist vor allem eine Gruppe von Entwicklungsstörungen. Man unterscheidet zwischen der ASS und komorbiden Störungen, welche häufig auftreten.

Die Primärsymptomatik mit Kommunikationsschwächen, Manierismen usw. wird bei dir eher leicht ausgeprägt (“hochfunktional”) sein, wenn sie erst so spät festgestellt wurde, du sogar arbeiten kannst. Sehr viele Autisten sind leider arbeitslos, prekär, schnell überfordert.

Vom Imposter-Syndrom habe ich keine Ahnung und es bis jetzt teils für eine Medienerfindung gehalten.

Da Therapieplätze rar sind und gute, harmonierende, spezialisierte Therapeuten noch rarer, ist das wirklich Abwägungssache, sich den Stress einer Therapeutensuche anzutuen. Es wird oft geraten, eine gewisse Ablehnungsanzahl bei der Kasse einzureichen, die dann auch Privattherapeuten übernehmen muss.

Eine passende Selbsthilfegruppe kostet in keinem Falle etwas und findet meistens monatlich unter (semi)professioneller Leitung statt.

Zur Reizabschirmung gibt es NC-Kopfhörer, Ohrenstöpsel, Sonnenbrillen. Hier muss man das Stresslevel niedrig halten, weil die Überreizung auch davon abhängt.

Drittens muss man auch sein eigenes Umfeld anpassen und Bewältigungsstrategien lernen, um mit autismusbedingtem Streße umzugehen.

Sicherlich wird doch auch eine Weiterbehandlungsempfehlung im Abschlussgespräch erfolgt sein. Ansonsten können auch der Hausarzt oder ein Psychiater regionale Behandlungsstellen vermitteln.

Was Agoraphobie belangt: ist das noch aktuell? Dazu gibt es ebenfalls passende Therapieformen. Auch medikamentös lassen sich Angststörungen teilweise behandeln.

ZitrusLiebe
1 year ago
Reply to  Fluffypaw

Starke Ausprägung liegt meiner Ansicht erst bei einer massiven Entwicklungsverzögerung, Behinderung oder eingeschränkter Selbständigkeit vor. Aber das ist Nomenklatur.

Könnte ich die Situation dort erklären oder wäre das ein Kündigungsgrund da es ja eine Behinderung ist?

Das ist eine schwierige Situation. Für alles >50 GdB gibt es Schwerbehindertenausweise, wobei ich deinen Schweregrad nicht bewerten kann und will. Liegt keine vor und somit keine direkte Leistungseinschränkung, kannst du auf Verständnis hoffen oder das Unternehmen macht sich verklagbar – oder einfach die Klappe halten.

Es existiert oftmals eine Behindertenvertretung, einen Betriebsrat oder einen Integrationsfachdienst, falls es Probleme gibt.

Kann man es überhaupt lernen sich normaler zu vethalten und Smalltalk zu führen, Menschen anzusehen etc.?

Kann man kognitiv, ist aber einzelfallabhängig. Ich halte gerne Schwätzchen, halte aber nie Blickkontakt, werde zu tiefgründig oder ehrlich. Das langt. Mehr “normal” will ich nicht sein.

Könnten sie mir bezüglich Bewältigungsstrategien im persönlichen Umfeld vielleicht ein konkretes Beispiel nennen?

Aufklärung. Erklären, wenn man Rückzug braucht. Ruhezeiten schaffen. Oft Spazierengehen. Zeit für Eigeninteressen. Sinnesdeprivation. Rückzugshöhlen. Es gibt noch viel mehr Strategien, die mir spontan nicht einfallen.

Den Rest – Reizempfindlichkeit, Unverständnis – kenne ich genauso auch, aber ich war nie komplett “negativ behindert”, sprich höchstens emotional eingeschränkt und leicht verzögert.

Ich bin auch Autist, schon seit ich Kind war, bekannt, und kenne die meisten Probleme mit diesem “anders funktional”, aber nicht behindert-Sein.

ZitrusLiebe
1 year ago

Und noch etwas: solch eine Diagnose ist erst ein Schock. Aber man lernt damit leben.

Es gibt wirklich zahlreiche Fälle von Menschen mit Autismus, muss man leider direkt und unverblümt sagen, die stumm sind und wedelnd in der Ecke hocken, nicht einmal in der Werkstatt schaffen können. Die sieht man leider nur selten. Die oft kommunizieren, sprechen, Beziehungen aufbauen wollen, aber nicht fähig sind!

Die werktätige Autisten-Fraktion ist leider wirklich eine Minderheit. Arbeitslosenquoten 40-90%.

euleella
1 year ago

Ich würde da für dich “Autogenes Training” empfehlen. Es ist wichtig, dass du richtig atmest und deinen Körper so ja unter Kontrolle hast. Schau mal wo in der Nähe bei dir sowas angeboten wird.

FouLou
1 year ago

Musst du selbst entscheiden inwiefern und welche deiner Eigenschaften dir Probleme bereitet. Es it sicherlich sinnvoll für diese Strategien zu finden das die Dinge weniger problematisch für dich werden.

Eventuell kann dir Kontakt zu Gleichgesinnten weiterhelfen. Ich bin letztens als ich mich über Autismus informiert habe über ne Selbsthilfegruppe in Rosenheim gestolpert. Da wird es eventuell auch soetwas in deiner nähe geben. Zu hören wie andere damit umgehen kann dir vielleicht weiterhelfen.

Für zu laut und zu hell gibt es ggf. Einfache praktische Hilfsmittel. Hast du schon probiert ob ne Sonnenbrille dir helfen würde? Und für zu laut können dir eventuell schallschutz kopfhörer helfen. Mit letzteren habe ich Erfahrung da ich auch bestimmten geräuschen empfindlich gegenüber bin. (Zu.b. schrilles Geschrei von Kleinkindern tut mir so gesehen schon physisch weh) und meine kopfhöhrer machen soetwas super erträglich.

Und wenn wer deswegen Stunk auf der Arbeit macht haste ja ne offizielle Diagnose die eine nutzung solcher Hilfsmittel begründet.